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10 Jahre „Kirschwingert“ – Rück- und Ausblick eines alternativen Anbausystems im Sauerkirschenanbau |
10 Jahre „Kirschwingert“ – Rück- und Ausblick eines alternativen Anbausystems im Sauerkirschenanbau „Ich kann nicht für jede Kultur eine spezielle Erntetechnik bereithalten. Das müsste doch auch anders gehen!“ Das war die Aussage eines jungen Betriebsleiters, der sich vor 12 Jahren bei der Obstbauberatung in Oppenheim nach neuen Perspektiven und Einnahmemöglichkeiten erkundigte. In seinem Mischbetrieb mit Acker- Obst- und Weinbau sollten für eine neu entstandene Absatzquelle spezielle Obstsäfte und –weine hergestellt. Als landwirtschaftlicher Lohnunternehmer im Umgang mit Maschinen vertraut, dachte er vor allem daran, die Erntetechnik des Weinbaus bei Sauerkirschen einzusetzen. Traubenvollernter werden weltweit in großen Serien gefertigt und sind im Vergleich zur Obsterntetechnik günstiger im Anschaffungspreis. Auch Wartung und Unterhaltung der Weinbautechnik ist durch ein dichtes Händler- und Werkstattnetz zumindest in Weinregionen günstiger. Das übliche Pflanzraster für Hand- oder Maschinenernte von Sauerkirschen liegt bei mindestens 4 x 5 m und einer Baumhöhe von über 3m. Die Traubenvollernter sind für das überfahren einer Laubwand von 50 cm Breite und 2,20 m Höhe konzipiert, wie sie in den meisten Weingärten (regional: „Wingert“) der gemäßigten Zone üblich sind. Blieb nur noch die Frage zu klären: Wie passen Traubenvollernter und Sauerkirschenbäume zusammen? „Wenn die Maschine nicht zu den Bäumen passt, müssen die Bäume zu der Maschine passen!“. Diese Formel führte zur Entwicklung des als „Oppenheimer Kirschwingert“ bezeichneten neuen Anbausystems. In einem ersten Versuchsprojekt wurde die Sorte `Gerema´ mit der Unterlage `Maxma 14´ kombiniert und in einem Pflanzraster von 3,20 x 1,75 m an einem Drahtrahmen zu einer Laubwand erzogen (Bild 1). Ernte Im 4. Jahr wurde die mit großer Spannung erwartete erste Ernte mit dem Traubenvollernter durchgeführt. Baumschäden durch die Erntemaschine hielten sich in Grenzen. Das kontinuierliche Ernteverfahren, bei dem nicht an jedem Baum gestoppt werden muss, ermöglicht ein entspanntes Arbeiten mit der Maschine bei einer Fahrgeschwindigkeit von 3-5 km/h. Die Verluste durch herunterfallende Kirschen waren relativ gering. Der Fruchtertrag konnte zu über 90% geerntet werden. Das Erntegut war für eine baldige Verarbeitung zu Saft, Wein, Destillation etc. gut geeignet. Der hohe Anteil unbeschädigter Früchte weckte sogar die Hoffnung, durch ein optimiertes Ernteverfahren den Anforderungen für die Konservenverarbeitung gerecht zu werden. Zur Optimierung wurden in Zusammenarbeit mit dem Maschinenhersteller Fallhöhen im Maschinensystem reduziert, Polsterungen an Übergabstellen angebracht und ein Förderband eingebaut zur Ablage der Früchte in verschiedenste Gebinde (Bild 2 und Bild 3). Mit einer zusätzlichen Absaugvorrichtung konnte der Anteil an Fremdstoffen (Moniliafrüchte, Zweigteile, Blätter) auf einen vernachlässigbaren Anteil reduziert werden. Zusammen mit der Feinabstimmung von Schlagkraft und Schlagfrequenz und der Reduktion der Schlägeranzahl konnte der Anteil beschädigter Früchte auf 5-10% verringert werden. In diesem Punkt sind die Traubenvollernter den herkömmlichen Erntemaschinen (Schaumann, Aunslev, Munckhoff), deren Anteil beschädigter Früchte zwischen 3-7% liegt, unterlegen. Traubenvollernter können daher nur bedingt Konservenware ernten, etwa in Jahren, wo sich einheitlich gereifte Früchte gut vom Fruchtstiel lösen. Ansonsten bleiben nur Verarbeitungswege offen, die nicht ausschließlich ganze Früchte beanspruchen. Ertrag Das Ziel, mit dem „Kirschenwingert“ ein ähnliches Ertragsniveau zu erreichen wie mit herkömmlichen Sauerkirschanlagen, wurde in der ersten Versuchsparzelle bei umgerechnet 1600 Bäume pro Hektar (3,20 x 1,75 m) mit 10-15 t/ha Durchschnittsertrag ab der Vollertragsphase erfüllt. Mit weiterer Optimierung des Pflanzrasters auf 2000 Bäume pro Hektar, z.B. durch Verringerung des Reihenabstandes auf 2,50 m, ließe sich das jährliche Ertragsniveau auf 15-20 t/ha erhöhen (Abbildung 1). Erziehung, Schnitt Der Arbeitsaufwand für die Baumerziehung konzentriert sich in den ersten Jahren auf die Errichtung einer geschlossenen Laubwand. Bei stärker und aufrecht wachsenden Sorten (Koröser-Wuchstypen) ist dazu ein Drahtspalier mit 2-3 Drähten günstig, um die Hauptäste längs der Reihe in eine horizontale Stellung und zu früherem Fruchten zu bringen. Bei schwächer wachsenden Sorten oder solche mit hängendem Wuchscharakter können die Bäume auch frei – ohne Drahtrahmen - erzogen werden. Beim Schnitt des „Kirschwingerts“ werden 3 Ziele verfolgt: - Auslichten der Kronenspitze zur besseren Belichtung und um „Überbauung zu vermeiden - Äste, die senkrecht in die Fahrgasse ragen, entfernen - Äste der unteren Kronenpartie etwas zurückschneiden, um vorzeitige Vergreisung zu vermeiden Maschineller Schnitt (mit Laubschneider aus dem Weinbau) ist möglich, um unmittelbar nach der Ernte die Belichtung im Kroneninneren zu verbessern und den Schnittaufwand von Hand zu reduzieren. Maschineller Schnitt als alleinige Schnittmaßnahme wäre auf Dauer der Produktivität abträglich: die geschnitten Äste verdichten die Krone von außen und die ungeschnittenen Äste in Längsrichtung beginnen zu verkahlen. Ausblick Die hohe Produktivität der kleinkronigen Baumformen von `Gerema´ auf `Maxma 14´ ermutigte zu Experimenten mit weiteren Sorten-Unterlagenkombinationen. Möglicherweise ließe sich mit dem neuen Anbausystem auch die Produktivität qualitativ hochwertiger Sorten verbessern, die bisher infolge des geringen Ertrags nicht über das Versuchsstadium hinaus gekommen waren. `Pandy 279´, `Junkaija sanaija´, `Oblacinska´, `Morina´ und `Ungarische Traubige´ wurden in Kombination mit `Gisela 5´ als Kirschenwingert angebaut (Bild 4). Die ersten Ertragsjahre nährten die Hoffnung, dass der Ertrag nicht nur früher beginnt, sondern auch ein annähernd hohes Niveau wie die Standardsorten erreicht. Sollte sich dieser erste Eindruck in den nächsten Versuchsjahren bestätigen, hätte der Erwerbsanbau eine Reihe maschinell beerntbarer Alternativsorten hinzugewonnen, die durch erweiterten Reifezeitraum, höhere Krankheitstoleranz oder spezielle Verwertungseigenschaften aufgrund der Inhaltsstoffe eine Bereicherung des jetzigen Sortiments darstellen. Fazit Nachteile: - höhere Anlageninvestition (Baum-, Pflanzkosten, evtl. Unterstützungsgerüst) - Erziehungsarbeiten (jährliche Schnittmaßnahmen, evtl. Formierungsarbeiten) - Erntegut nur bedingt zur Konservenverarbeitung geeignet Vorteile - niedrige Erntekosten (niedrige Investition in Erntetechnik, bzw. Lohnverfahren) - früher Ertragsbeginn - evtl. zukünftige Verfügbarkeit mehrer Sorten zur maschinellen Ernte Unter Abwägung der genannten Vor- und Nachteile sieht der ökonomische Vergleich für Betriebe mit einfachem Zugang zu einem Traubenvollernter der „Kirschwingert“ sicherlich günstiger aus, insbesondere wenn die Verarbeitung zu Saft, Wein o.ä. im Vordergrund steht. Dort wo bereits eine spezielle Obsterntemaschine vorhanden ist und der Hauptabsatz in die Konservenverarbeitung geht, wird sich der „Kirschwingert“ schwerlich durchsetzen. Lediglich die Beerntung der jungen Bäume mit dem Traubenvollernter könnte aufgrund der niedrigeren Erntekosten in den ersten Jahren eine sinnvolle Ergänzung zu dem bisherigen Anbau- und Ernteverfahren darstellen. Die uneingeschränkte Möglichkeit mit dem neuen Anbausystem „Kirschwingert“ Konservenware zu ernten durch technische Weiterentwicklungen der Vollernter oder der Einführung von Sorten, die den Ernteprozess unbeschadet überstehen, könnte sich daraus eine Alternative zu allen gängigen Anbauformen im Sauerkirschenanbau herausbilden. Abbildung 1: Ertragsentwicklung „Kirschwingert“ mit `Gerema´ |
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